Unmittelbare Geburtseinleitung bei Bluthochdruck
Unmittelbare Geburtseinleitung bei Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft
Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, den möglichen Nutzen und Schaden der unmittelbaren Geburtseinleitung bei Bluthochdruckerkrankungen ab der 34. Schwangerschaftswoche abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Informationsbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Was ist Bluthochdruck (Hypertonie)?
Von einem erhöhten Blutdruck wird ab einem systolischen Wert von 140 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) oder einem diastolischen Wert von 90 mmHg gesprochen. Als optimaler Blutdruck gelten Werte von 120/80 mmHg. Der systolische Wert gibt den Druck in den Gefäßen an, wenn sich das Herz zusammenzieht. Der diastolische Wert misst den Gefäßdruck, wenn der Herzmuskel erschlafft. Ist der Blutdruck dauerhaft erhöht, belastet dies die Blutgefäße und erhöht das Risiko für Folgeerkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Nierenfunktionsstörungen und Schlaganfall) und einen vorzeitigen Tod [1].
Was bedeutet ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft?
Ein erhöhter Blutdruck kann bei völlig gesunden Frauen während einer Schwangerschaft entstehen. Die Ursachen hierfür sind nicht vollständig geklärt [2].
Ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft tritt in Europa bei etwa 6–8 je 100 Schwangerschaften auf und kann zu verschiedenen Komplikationen, wie einem vorzeitigen Ablösen der Plazenta (Mutterkuchen) oder einer Frühgeburt führen. In schweren Fällen kann ein dauerhaft erhöhter Blutdruck zu einer Präeklampsie oder dem HELLP-Syndrom führen. In Abhängigkeit davon, zu welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft das HELLP-Syndrom auftritt, und je nach vorhandener gesundheitlicher Versorgung, kann es weltweit bei etwa 1 – 25 von je 100 betroffenen Müttern und bei etwa 7 – 34 ihrer Neugeborenen zum Tod führen [2, 3, 4].
Präeklampsie
Die Präeklampsie ist eine Schwangerschaftserkrankung, die in den europäischen Ländern bei etwa 2 von je 100 Schwangerschaften auftritt [4].
Bei der Präeklampsie steigt der Blutdruck, es wird mehr Eiweiß mit dem Urin ausgeschieden und es kommt zu Wassereinlagerungen (Ödeme) im Körper. Eine unbehandelte Präeklampsie kann Mutter und Kind schaden [3].
Eine schwere Verlaufsform der Präeklampsie ist die Eklampsie, bei der es zu starren und ruckartigen Krampfanfällen der Mutter kommt. Eine Eklampsie kann sich durch Oberbauchscherzen, Übelkeit, Erbrechen, Augenflimmern, anhaltende Kopfschmerzen und eine erhöhte Reflexbereitschaft (Reflexe können leichter ausgelöst werden und können stärker ausfallen) ankündigen [5].
Eine schwere Begleiterscheinung der Präeklampsie ist das HELLP-Syndrom.
HELLP-Syndrom
HELLP steht für:
(H) hemolysis - Hämolyse (Abbau von roten Blutkörperchen)
(EL) elevated liver enzymes - krankhaft erhöhte Leberenzyme
(LP) low platelets - Thrombozytopenie (Verminderung der Blutplättchen)
Beim HELLP-Syndrom treten meist anhaltende Oberbauchschmerzen auf [5].
In vielen Fällen geht der Bluthochdruck sowie die milde Präeklampsie innerhalb der ersten 32 Schwangerschaftswochen von allein zurück. Bleiben die Erkrankungen bis zur 34. Schwangerschaftswoche bestehen, muss sich in der Klinik für ein entsprechendes Vorgehen entschieden werden [3]: eine unmittelbare Einleitung der Geburt oder Abwarten und Beobachten (beobachtendes Abwarten).
Wie wird Bluthochdruck in der Schwangerschaft festgestellt?
Der Blutdruck wird innerhalb der routinemäßigen Schwangerenversorgung gemessen. Wird dabei mehrmals ein deutlich überhöhter Blutdruck festgestellt, werden weitere Tests (bspw. Urin- und Blutuntersuchungen) durchgeführt, um andere Ursachen für den überhöhten Blutdruck auszuschließen [3].
Wenn der Blutdruck dauerhaft auf oder über 150/100 mmHg steigt, ist eine stationäre Überwachung im Krankenhaus erforderlich [3].
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft?
Bei Bluthochdruck mit oder ohne erhöhte Eiweißausscheidung im Urin (Präeklampsie) ab der 34. Schwangerschaftswoche gibt es zwei Behandlungsmöglichkeiten. Zum einen kann die Geburt unmittelbar eingeleitet werden, zum anderen kann unter regelmäßiger ärztlicher Beobachtung abgewartet werden. Die ärztliche Betreuung kann ambulant oder stationär erfolgen, bei der der Blutdruck gemessen und der Proteingehalt im Urin bestimmt wird. Zudem können die Schwangere auf Präeklampsie-Symptome und das Baby mit Blick auf seine Bewegungen und seine Herzfrequenz untersucht werden.
Die Geburten wurden in dieser Übersichtsarbeit durch eine Amniotomie (Fruchtblaseneröffnung) oder durch Gabe von Oxytocin (Wehenmittel) eingeleitet. Falls erforderlich wurden Prostaglandine zur Unterstützung der Öffnung des Muttermundes verabreicht [3].
Die Faktenbox
In der Faktenbox werden zwei Behandlungsstrategien bei Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft, das beobachtende Abwarten und die unmittelbare Geburtseinleitung, hinsichtlich ihres Nutzens und Schadens für die Mutter und ihr Neugeborenes miteinander verglichen.
Was ist der Nutzen einer unmittelbaren Geburtseinleitung? Welche Schäden können auftreten?
Möglicher Nutzen
Mögliche Schäden
Die Grafiken lesen sich wie folgt:
24 von je 100 Frauen mit beobachtendem Abwarten und 17 von je 100 Frauen mit unmittelbarer Geburtseinleitung litten unter schwerwiegenden Folgen (z.B. HELLP-Syndrom, Nierenversagen, Tod) ihrer schwangerschaftsbedingten Bluthochdruckerkrankung. Das bedeutet, dass bei 7 von je 100 Frauen, schwerwiegende Folgen durch die unmittelbare Geburtseinleitung verhindert werden konnten.
Die Zahlen in der Faktenbox sind gerundet. Sie basieren auf fünf Studien mit 1819 Teilnehmerinnen [1].
Kurze Zusammenfassung
Etwa 7 von je 100 Frauen, die eine unmittelbare Geburtseinleitung erhielten, litten seltener unter schwerwiegenden Folgen ihrer Bluthochdruckerkrankung. Bei ihren Neugeborenen konnten die Folgen nicht abgeschätzt werden. 2 Neugeborene mehr von je 100 Frauen mit unmittelbarer Geburtseinleitung litten unter Atemnot und etwa 3 Neugeborene mehr kamen auf die Neugeborenen-Intensivstation.
Liefern die Ergebnisse Beweise (Evidenz) für den Nutzen und Schaden der Behandlungsstrategien?
Die Beweislage wurde von den Autoren der eingeschlossenen Übersichtsarbeit ermittelt. Nach deren Bewertung hat die Beweislage, je nach betrachtetem Nutzen oder Schaden, eine nicht bewertbare bis hohe Qualität.
Die Ergebnisse zu schwerwiegenden Folgen von Neugeborenen konnten nicht bewertet werden. Es gab nicht genügend Daten, um eine Aussage über schwerwiegende Folgen für Neugeborene zu treffen.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass weitere Forschung die Ergebnisse zu den schwerwiegenden Folgen (z.B. HELLP-Syndrom, Nierenversagen, Tod) für die Mütter verändert (hohe Beweislage).
Die Ergebnisse zur Anzahl der Kaiserschnitte könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage).
Eine Bewertung der Beweislage zum Atemnotsyndrom bei den Neugeborenen und der Anzahl an Behandlungen von Neugeborenen auf einer Neugeborenen-Intensivstation wurde durch die Autoren der Übersichtsarbeit nicht vorgenommen.
Quellen
Die Faktenbox wurde erstellt durch: © Harding-Zentrum für Risikokompetenz (Direktor Gerd Gigerenzer) an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg (Universität Potsdam). Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bluthochdruck 2019. Abrufbar unter: Link (23.10.2020).
[2] Haram K, Svendsen E, Abildgaard U. The HELLP syndrome: Clinical issues and management. A Review. BMC Pregnancy and Childbirth 2009, 9:8. doi: 10.1186/1471-2393-9-8.
[3] Cluver C, Novikova N, Koopmans CM, et al. Planned early delivery versus expectant management for hypertensive disorders from 34 weeks gestation to term. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017(1). doi: 10.1002/14651858.CD009273.
[4] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S2k-Leitlinie Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie (AWMF-Registrierungsnummer: 015/018, März 2019).
[5] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Schwangerschafts-diabetes 2020. Abrufbar unter: Link (23.10.2020).
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